Die "Verschwörung" der Freimaurer
Der Feind steht einfach überall
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Unvermeidlicher Bestandteil des antisemitischen Weltbildes ist der Glaube an die Existenz einer "jüdisch-freimaurerisch-bolschewistischen" Verschwörung, die nichts anderes im Sinn hätte, als Deutschland Schaden zuzufügen.
Fragt man aber nach Einzelheiten, zum Beispiel nach den Namen der angeblichen Verschwörer oder nach ihren Taten, dann fallen die Antworten eher dürftig aus. Mitunter wird als Beweis dafür, dass die Verschwörung existiert, sogar die Tatsache benannt, dass man nichts nachweisen könne: Die Verschwörer hätten die Beweismittel verschwinden lassen, was die Existenz der Verschwörung hinreichend belege.
Sehen wir uns die finsteren Machenschaften der Freimaurer an.
Am Anfang unserer kleinen Untersuchung steht die überraschende Feststellung, dass die deutschen Freimaurer keineswegs einer Geheimorganisation angehören, wie mitunter behauptet wird. Die örtlichen Logen sind eingetragene Vereine, die Namen der jeweiligen Vorsitzenden können beim Amtsgericht erfragt werden. Die meisten Logenhäuser haben sogar Telefon und stehen im Telefonbuch.
In Bayreuth gibt es ein Freimaurermuseum, und eine Dachorganisation der deutschen Logen steht unter Vereinigte Grosslogen von Deutschland im Berliner Telefonbuch und unterhält eine eigene Web-Site. Eine weitere Dachorganisation, die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland, ist ebenfalls mit einer umfangreichen Website samt Postanschrift und Telefonnummer im Internet vertreten. Die Behauptung, es handele sich hier um eine konspirative Organisation, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht halten.
Aber wie sind die Freimaurer nun zu beurteilen? Wenn wir das wissen wollen, könnte es sinnvoll sein, die Stellungnahmen von Menschen heranzuziehen, die dieser Organisation kritisch gegenüberstehen. So ist beispielsweise das Verhältnis zwischen Kirche und Freimaurerei aus verschiedenen Gründen seit jeher recht schwierig. Fragen wir also die Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz.
Die Deutsche Bischofskonferenz kam 1980 zu folgendem Schluss:
Die gleichzeitige Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und zur Freimaurerei ist unvereinbar.
Holtorf, Die Logen der Freimaurer, S. 171
Das klingt ganz so, als wären die Vertreter der katholischen Kirche nicht unbedingt große Freunde der Freimaurerei. Wir dürfen von ihnen also eher kritische und distanzierende Bewertungen erwarten.
Die nun folgenden Zitate stammen aus einer Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zu der Frage, wie die Kirche zu den Freimaurern steht. Ich habe vor allem solche Aussagen ausgewählt, die das Wesen der Freimaurerei (wie sie von der katholischen Kirche gesehen wird) möglichst allgemein beschreiben.
Die Weltanschauung der Freimaurer ist nicht verbindlich festgelegt. Es überwiegt die humanitäre und ethische Tendenz.
Das als objektive Quelle anerkannte "Internationale Freimaurerlexikon" erklärt ... "Die Freimaurerei dürfte das einzige Gebilde sein, dem es auf die Dauer gelungen ist, Ideologie und Praxis weitgehend von Dogmen freizuhalten."
Vom Freimaurer wird daher verlangt, ein freier Mann zu sein, der "keine Unterwerfung unter Dogma und Leidenschaft kennt."
Jeder kann hier seine Gottesvorstellung einbringen, der Christ wie der Moslem, der Konfuzianer wie der Animist oder der Angehörige irgendeiner Religion.
Aus diesem Wahrheitsbegriff leitet sich die spezifische Toleranzidee der Freimaurerei ab ... Bei den Freimaurern jedoch herrscht die Toleranz gegenüber Ideen, wie gegensätzlich zueinander sie auch sein mögen.
Im Meisterritus heißt es: "Welche Tugenden muß ein wahrer Meister besitzen? Reinheit des Herzens, Wahrheit in Worten, Vorsicht in Handlungen, Unerschrockenheit bei unvermeidlichen Übeln und unermüdlichen Eifer, wenn es gilt, Gutes zu tun."
zit. n. Holtorf, S. 171f
Dies waren, wie gesagt, nicht etwa die Meinungsäußerungen von Menschen, die ein Interesse daran hätten, die Freimaurer in möglichst gutem Licht erscheinen zu lassen, sondern Aussagen aus einer offiziellen Stellungnahme der katholischen Bischofskonferenz zur Freimaurerei.
Zur Ergänzung noch einige Anmerkungen von Pater Dr. Alois Kehl zur Erklärung der Bischofskonferenz. Pater Kehl hält die Gegensätze nicht für unüberbrückbar und steht der Freimaurerei aufgeschlossener gegenüber als manche seiner Glaubensbrüder:
Die Freimaurerei ist nicht wie die Kirche von oben nach unten, also hierarchisch, sondern von unten nach oben, also demokratisch organisiert.
Dabei wird in den einzelnen Graden nicht ein Geheimwissen vermittelt, das man etwa anderswoher nicht gewinnen könnte, vielmehr sind diese einzelnen Grade, wie hoch man auch aufsteigen mag, Stufen eines psychologisch wohldurchdachten Weges der Selbsterziehung ...
Besonders katholische Beobachter wünschen sich gern ein freimaurerisches "Lehramt", damit man das ureigen Freimaurerische besser fassen könne.
Das ist ein Mißverständnis. Das ureigen Freimaurerische ist eben diese Offenheit.
Denn wenn man mit einem Freimaurer spricht, wird man dessen persönliche Auffassung zu hören bekommen, die er wohl auch als Nichtfreimaurer vertreten würde und die mit den Auffassungen anderer Freimaurer möglicherweise nicht übereinstimmt. Darin liegt begründet, daß man - je nachdem, welches Ergebnis man im Auge hat - auch die entsprechenden "Beweise" in freimaurerischen Äußerungen findet.
Es wird vielmehr ein Freiraum geschaffen, in dem jeder einzelne seine Überzeugung leben kann, ohne deshalb von einem andern, der vielleicht anderer Überzeugung ist, diskriminiert zu werden.
zit. n. Holtorf, S. 179f
Wie man sieht, erkennen sogar die Kritiker der Freimaurerei an, dass sich die Freimaurer humanistischen Ideen verpflichtet fühlen. Eine Verschwörung mit dem Ziel, irgendein Land zu vernichten, passt nicht zu dieser Philosophie.
Antisemiten, die unter Hinweis auf die bereits erwähnte vermeintliche Verschwörung versuchen, die eigenen Vorurteile zu rechtfertigen, stellen häufig eine Verbindung zu jüdischen Geheimorganisationen her, die angeblich in der Freimaurerei eine wichtige Rolle spielen.
Hören wir, was der Freimaurer Jürgen Holtorf zu diesem Punkt zu sagen hat. Unter der Überschrift "Andere Logen: Freimaurerähnliche Organisationen und Bruderschaften" schreibt er in seinem Buch "Die Logen der Freimaurer" auf Seite 155:
B'nai Brith ("Unabhängiger Orden B'nai Brith")
Ein 1843 in New York gegründeter Orden, der nur Männer jüdischen Glaubens aufnimmt
(...)
Der Orden hat keinerlei Zusammenhang mit der Freimaurerei.
(...)
Nach dem Zweiten Weltkrieg (...) Neugründungen in West-Berlin und Frankfurt am Main; der Initiator dieser Wiedergutmachung war Theodor Heuss. Die karitativen Leistungen des Ordens sind vorbildlich.
zit. n. Holtorf, S. 155
B'nai Brith ist keineswegs eine jüdisch-freimaurerische "Superloge", wie Antisemiten mitunter behaupten, sondern eine jüdische karitative Organisation. Die Homepage von B'nai Brith ist im WWW zu finden; wer mag, kann sich dort selbst ein Bild machen.
Eine Facette der rechtsextremistischen Argumentationsweise besteht darin, Gegner als Juden oder gelegentlich auch als Freimaurer zu bezeichnen, was als hinreichender Beweis für die unterstellte feindselige Haltung gegenüber Deutschland gelten soll. Verblüffung stellt sich freilich ein, wenn diese Leute sehen, welche Personen der Freimaurerei angehört haben und demnach zu den Verschwörern gerechnet werden müssten:
Aldrin, Edwin - der zweite Mann auf dem Mond
Atatürk, Kemal - Vater der modernen Türkei Bechstein, Ludwig - dt. Dichter
Berlin, Irving - Komponist
Blücher, Gebhard L. von - Feldmarschall
Börne, Ludwig - Schriftsteller
Bolivar, Simon - Freiheitskämpfer
Brehm, Alfred - Naturforscher
Chamisso, Adelbert von - dt. Dichter
Churchill, Winston - engl. Politiker
Claudius, Matthias - dt. Dichter
Dehler, Thomas - dt. Politiker
Doyle, Sir Arthur Conan - Schriftsteller, Erfinder von Sherlock Holmes
Fichte, Johann Gottlieb - dt. Dichter
Fleming, Sir Alexander - fand das Penicillin
Ford, Henry - der Autobauer
Franklin, Benjamin - amerik. Politiker
Gneisenau, August Graf von - preuß. Generalfeldmarschall
Goethe J. W. von - dt. Dichter
Hahnemann, Samuel C. - Homöopathie
Haydn, Joseph - Komponist
Herder, J. G. - dt. Dichter
Kipling, Rudyard - Schriftsteller, (Dschungelbuch)
Lessing, G. E. - dt. Dichter
Liszt, Franz - Komponist und Pianist
Lortzing, Albert - Komponist
Luckner, Graf von - Seeoffizier
Mozart, W. A. - Komponist
Scharnhorst G. D. von - preuß. Militär
Simmel, J. M. - Bestseller-Autor
Tucholsky, Kurt - Autor, Satiriker
Washington, George - der erste Präsident der USA
(Angaben u.a. nach Holtorf, S. 139ff)
Besonders amüsant ist die Tatsache, dass "Revisionisten" immer wieder lobend auf die viel liberalere Verfassung der USA hinweisen. Dort werde den Bürgern eine praktisch unbegrenzte Redefreiheit gewährt, während in Deutschland das Leugnen der nationalsozialistischen Massenmorde bestraft werden könne.
Die Auschwitzleugner, die sich in dieser Weise beklagen, vergessen regelmäßig, dass die amerikanische Verfassung, die den Bürgern diese Freiheitsrechte garantiert, von Freimaurern mitgestaltet worden ist und eine gewisse Nähe zu den oben zitierten Idealen der Freimaurer aufweist.